Jahresbilanz 2022: Fachsprachenprüfungen setzen die richtigen Anreize. Hohe Sprachkompetenz bringt voran

Von Jürgen Herdt, Stabsstelle für Planung und Entwicklung der ÄKWL

Nach zwei in starkem Maße von der Corona-Pandemie geprägten Jahren kehrten die Fachsprachenprüfungen 2022 zu gewohnten Größenordnungen zurück. Mit einem gegenüber dem Vorjahr knapp zehnprozentigen Anstieg auf insgesamt 849 Prüfungen war dabei sogar der höchste Wert seit 2017 zu verzeichnen. Die Gesamtzahl der Fachsprachenprüfungen, die seit Übertragung dieser Aufgabe an die Ärztekammer durch das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium im Jahr 2014 von den Mitgliedern der Prüfungskommission abgenommen wurde, hat erneut eine Tausender-Marke überschritten und lag am Jahresende bei 8075 Prüfungen. Die ÄKWL ist damit die Heilberufskammer, die bundesweit bisher die meisten Fachsprachenprüfungen durchgeführt hat.

In dem von der ÄKWL entwickelten praxisorientierten Verfahren, das in den zurückliegenden Jahren von einer großen Zahl weiterer Ärzte- bzw. Heilberufskammern konzeptionell aufgegriffen wurde, muss – gemäß den Vorgaben des Gesundheitsministeriums – das berufsspezifische Sprachvermögen orientiert am sogenannten C1-Niveau, was einer kompetenten Sprachverwendung entspricht, unter Beweis gestellt werden. Das Verfahren zeichnet sich durch eine hohe Strukturqualität und Objektivität aus, wie zuletzt in einer Studie in Bayern dargelegt werden konnte.1

Verlässlichkeit durch Kontinuität und Qualitätssicherung

Auch im neunten Jahr seit der Übertragung der Aufgabe auf die ÄKWL werden die Prüfungsstandards durch die anhaltende Einsatzbereitschaft, das hohe Engagement und das auf die rechtlichen Anforderungen bezogene Qualitätsverständnis der Prüferinnen und Prüfer gewährleistet. Der Präsident der ÄKWL, Dr. Johannes Albert Gehle, hob dies in seiner Ansprache bei der Jahresbesprechung der Prüfungskommission hervor, die Ende Mai 2022 stattfand. „Die Jahresbesprechung dient“, so Dr. Gehle, „dem wechselseitigen Austausch, der Reflektion aktueller Entwicklungen und der Sicherung des Anforderungsniveaus. Sie ist damit einerseits eines der Elemente interner Qualitätssicherung, das wir gemeinsam etabliert haben. Sie dient aber auch der Würdigung Ihrer kontinuierlichen Mitwirkung, für die ich Ihnen auch im Namen des gesamten Vorstandes der ÄKWL herzlich danken möchte. Ihr Engagement ist ein herausragendes Zeichen für eine gelebte, verlässliche Selbstverwaltung, auf das wir alle stolz sein können.“

Inzwischen können 30 Prüferinnen und Prüfer auf einen Erfahrungsschatz aus über 250 Fachsprachenprüfungen zurückblicken. Darunter sind neun Kommissionsmitglieder, die bereits mehr als 500 und unter diesen acht, die mehr als 750 Fachsprachenprüfungen abgenommen haben. Im Auftrag von Dr. Gehle, der online zugeschaltet war, konnte Professor Ingo Flenker, Ehrenpräsident der ÄKWL, darüber hinaus Dr. Barbara Blaszkiewicz, Dr. Günter Lapsien und Dr. Marion Wüller ehren, die als erste Kommissionsmitglieder an über 1000 Fachsprachenprüfungen beteiligt waren.

Zum Austausch mit der Prüfungskommission war auch die für die approbierten Heilberufe bei der Zentralen Anerkennungsstelle für Gesundheitsberufe (ZAG) zuständige juristische Dezernentin, Maike Vossenberg, eingeladen. Die ZAG wurde auf der Grundlage eines fraktionsübergreifenden Kabinettbeschlusses vom 25.06.2019 mit der Zielsetzung einer Zen­tralisierung und Beschleunigung der Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse bei der Bezirksregierung Münster eingerichtet und ist seit 01.07.2020 für ganz Nordrhein-Westfalen zuständig. Maike Vossenberg dankte der ÄKWL für die reibungslose Organisation der Fachsprachenprüfungen und den Prüferinnen und Prüfern für ihre strukturierte und zuverlässige Arbeit. In der Diskussion wurde von beiden Seiten die Bedeutung einer sattelfesten berufsspezifischen Sprachkompetenz als Voraussetzung für die Erteilung einer Approbation bzw. Berufserlaubnis hervorgehoben.

Mit Transparenz gegen Verunsicherung

Die Fachsprachenprüfung ist praxisorientiert aufgebaut und überprüft gemäß den rechtlichen Vorgaben die berufsspezifische Sprachkompetenz auf unterschiedlichen Ebenen. Wichtig ist eine zielgerichtete Vorbereitung, die individuellen Bedarfen angepasst sein muss und die sich in diesem Sinne nicht auf starre Schulungskonzepte verlassen darf. Die Erfahrungen der ÄKWL legen nahe, dass neben geeigneten Sprachkursen ein sprachförderndes und lernunterstützendes Umfeld – beispielweise in Form sprachaktiver Hospitationen – hilfreich sein kann.

Zwar wird von Kandidatinnen und Kandidaten auch gerne auf den Austausch in einschlägigen Internetportalen zurückgegriffen. Dies kann aber sehr schnell in eine Falle führen! Durch die unreflektierte Weitergabe von Inhalten aus der Fachsprachenprüfung entstehen zum einen der Eindruck und die Haltung, es reiche aus, diese auswendig zu lernen und in der Prüfung aufzusagen. In der Fachsprachenprüfung wird jedoch nicht die Merkfähigkeit abgefragt. Ausschlaggebend ist die sprachliche Interaktion. Nicht selten hören Kandidaten im irrigen Glauben, den „Fall“ zu kennen, nicht genau hin, geben Falsches wieder, kommen bei geringsten Änderungen sprachinhaltlich ins Schleudern oder können der Konversation sprachlich nicht adäquat folgen. 

Zum anderen findet in diesen Internetportalen auch ein Austausch über das Prüfungsgeschehen statt, der in starkem Maße subjektiven Kommentierungen unterliegt. Diese Beiträge zeichnen sich nicht selten durch Verallgemeinerungen, Zuspitzungen und Überzeichnungen aus, die an einzelnen Stellen sogar diffamierenden Charakter haben. Häufig werden sie von Dritten vom Hörensagen aufgegriffen und ohne Einordnung in den Gesamtkontext weitergetragen. Die Darstellungen sind auch insofern verzerrt, als dass Kandidatinnen und Kandidaten, die die Fachsprachenprüfungen bestehen, zumeist sehr schnell das Interesse an den Portalen verlieren. Im Ergebnis führt dies zu einer Verunsicherung selbst gut vorbereiteter Kandidatinnen und Kandidaten, die nicht notwendig ist und vermieden werden sollte.

Die ÄKWL berichtet regelmäßig über das Prüfungsgeschehen und schafft damit hilfreiche Transparenz. Etwa jeder zweite Prüfling besteht die Prüfung im ersten Anlauf. In den anderen Fällen sind Wiederholungsprüfungen erforderlich. Die auf alle 8075 Prüfungen bezogene Nicht-Bestehensquote liegt bei 52,5 Prozent und ist seit Jahren nahezu konstant. Unter Einschluss des Ergebnisses bei Wiederholungsprüfungen und abzüglich der Abmeldungen konnten sich bis Ende 2022 inzwischen 3834 Ärztinnen und Ärzte – und damit 83,0 Prozent aller bisherigen Kandidatinnen und Kandidaten – über einen Prüfungserfolg bei der ÄKWL freuen. Die übrigen stehen vor einer Wiederanmeldung oder bereiten sich bereits auf eine Wiederholungsprüfung vor. 

Nicht aus der Bahn werfen lassen

Soweit die Prüfung nicht gleich im ersten Versuch bestanden wird, sollte man sich nicht durch einen Fehlversuch aus der Bahn werfen lassen. Ein anforderungsgerechtes Eingangsniveau ist unumgänglich, denn sprachliche Schwächen und Fehler, die sich einmal eingeschlichen haben, sind später umso schwerer auszugleichen. Wichtig sind Selbstvertrauen und eine ausgeruhte Defizitanalyse für eine zielgerichtete Vorbereitung auf eine Wiederholungsprüfung. Nicht zuletzt deswegen wird nach der Prüfung mit den Kandidatinnen und Kandidaten über ihre Stärken und auch über die Punkte, die gegebenenfalls sprachlich noch verbessert werden müssen, gesprochen. 

Soweit dies vom Kandidaten gewünscht wird und das schriftliche Einverständnis vorliegt, bietet die ÄKWL zur zielgerichteten Vorbereitung auf eine Wiederholungsprüfung einen telefonischen Austausch mit dem leitenden Arzt oder einem ärztlichen Mentor aus der Abteilung, in der hospitiert wird, an. Dabei wird über die auch dem Kandidaten nach der Prüfung dargestellten Aspekte gesprochen, die im Besonderen gelernt und trainiert werden sollten, um das Prüfungsziel zu erreichen.

Die Anstrengungen zahlen sich aus und helfen bei den weiteren beruflichen Schritten, sei es bei einer möglichen Kenntnisprüfung oder sei es in der Facharztweiterbildung oder späteren ärztlichen Fortbildungsmaßnahmen. Mit einer sicheren Beherrschung der Sprache werden Missverständnisse vermieden und die Voraussetzung geschaffen, sich mit Kolleginnen und Kollegen sowie mit Patientinnen und Patienten mit der im ärztlichen Berufsalltag erforderlichen sprachlichen Flexibilität, Dynamik und Empathie zu verständigen. Eine hohe Sprachkompetenz ist ein essentieller Faktor für eine gelingende berufliche Integration. Sie schafft Akzeptanz und Vertrauen bei allen Beteiligten.

Deutliche Veränderung der Herkunftsstruktur

Gegenüber dem vorangegangenen Jahr hat sich die Herkunftsstruktur der Prüfungskandidatinnen und -kandidaten im Jahr 2022 deutlich verändert (s. Abb. auf S. 15). Zwar stellen Ärztinnen und Ärzte aus Syrien die größte Einzelgruppe unter den Kandidatinnen und Kandidaten, die 2022 zur Erstprüfung bei der ÄKWL antraten. Danach folgen erstmals Ärztinnen und Ärzte aus Russland, deren Zahl sich gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt hat, vor Ärztinnen und Ärzten aus der Türkei, deren Zahl sich gegenüber 2022 beinahe verdoppelt hat. Mexikanische Ärztinnen und Ärzte finden sich zum ersten Mal unter den Top 15 der Herkunftsländer.

Auch 2022 ist das Interesse, in Westfalen-Lippe tätig zu werden, noch internationaler geworden: Unter den 4840 Ärztinnen und Ärzten, die seit 2014 eine Fachsprachprüfung in Münster absolviert haben, finden sich inzwischen 115 verschiedene Staatsangehörigkeiten. Nach Jahren des Anstiegs und der Stabilisierung hat 2022 der Anteil der Prüfungskandidatinnen und -kandidaten mit einer Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU) auf 23,4 Prozent abgenommen. Dementsprechend kamen mehr als drei von vier Ärztinnen und Ärzten aus seinem sogenannten Drittstaat außerhalb der EU.

Aktuell gehören der Prüfungskommission 53 Mitglieder an, die vom Vorstand der ÄKWL jeweils für ein Jahr berufen werden. Neben 50 Ärztinnen und Ärzte sind auch Prüferinnen und Prüfer mit sprachwissenschaftlichem Hintergrund in die Prüfungskommission eingebunden. Zwei Mitglieder besitzen zudem sowohl eine ärztliche als auch eine sprachwissenschaftliche bzw. philologische Qualifikation. 


Hier finden Sie weitere Informationen zur Fachsprachenprüfung der ÄKWL.

Fußnoten Fachsprachenprüfung

1 Bericht der Bayerischen Landesärztekammer, die die Fachsprachenprüfungen seit April 2017 auf der konzeptionellen Grundlage des westfälisch-lippischen Verfahrens durchführt (Bayerisches Ärzteblatt 12/2022, Seiten 650–651)